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Forschungsansätze

Viele Menschen mit Netzhauterkrankungen stellen sich dieselbe Frage:
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es – und wie nah sind wir an tatsächlichen Therapien?

In dieser Ausgabe möchten wir Ihnen einen gut verständlichen Überblick über einige der weltweit vielversprechendsten Entwicklungen geben. Zudem verweisen wir auf vertrauenswürdige Informationsquellen, über die Sie den Fortschritt zu Ihrer individuellen Erkrankung verfolgen können.

Da es sich im Folgenden um allgemeine Informationen handelt, empfehlen wir Patientinnen, Patienten und Angehörigen, begleitend Rücksprache mit ihrer Augenärztin bzw. ihrem Augenarzt sowie einer spezialisierten genetischen Beratung zu halten.
Retina plus unterstützt Menschen mit erblichen Netzhauterkrankungen (IRD), altersbedingter Makuladegeneration (AMD) und ähnlich gelagerten Augenerkrankungen dabei, komplexe Inhalte verständlich einzuordnen und individuelle nächste Schritte zu planen.

Warum sind Behandlungen noch nicht verfügbar?

Die Netzhaut ist ein hochkomplexes Gewebe aus spezialisierten Nervenzellen, Photorezeptoren und unterstützenden Zellschichten. Die Umwandlung von Licht in visuelle Eindrücke gehört zu den anspruchsvollsten biologischen Vorgängen überhaupt.
Diese Komplexität erklärt, warum sichere und wirksame Behandlungen anspruchsvoll in der Entwicklung sind und lange Testphasen benötigen.

Was sind Gene?

Gene sind Bauanleitungen für Proteine, die unsere Zellen benötigen, um zu funktionieren und gesund zu bleiben. Wir erben je einen Chromosomensatz von jedem Elternteil; Veränderungen in einzelnen Genen können Erkrankungen der Netzhaut verursachen – häufig schon in frühen Lebensphasen.

Warum sollte ich einen Gentest durchführen lassen?

Moderne Diagnostik erlaubt heute eine sehr präzise Beurteilung vieler Netzhauterkrankungen. Dennoch lässt sich die exakte Form mancher Erkrankungen erst durch eine genetische Analyse eindeutig bestimmen.

In Deutschland sind genetische Tests für viele erbliche Netzhauterkrankungen verfügbar und werden in der Regel von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen, wenn eine medizinische Indikation vorliegt.
Retina plus kann bei der Antragsstellung unterstützen, falls dies gewünscht ist.

Ein genetisches Ergebnis ermöglicht:

  • eine sichere Zuordnung der Erkrankung,
  • eine Einschätzung des erblichen Risikos,
  • eine fundierte genetische Beratung,
  • und den Zugang zu gen- oder mutationsspezifischen klinischen Studien.

Eine Übersicht weltweiter Studien finden Sie hier:
https://www.fightingblindness.org/clinical-trial-pipeline

Welche Behandlungen gelten derzeit als vielversprechend?

Genbasierte Therapien

Genersatztherapie (GRT)

Ein modifiziertes Virus bringt eine funktionierende Kopie eines defekten Gens in die Netzhaut ein. Besonders bei rezessiven IRDs zeigen sich vielversprechende Ergebnisse.
Für die RPE65-Form von LCA/RP ist bereits eine Therapie in Europa zugelassen.

Gen-Editierung (z. B. CRISPR-Cas9)

Defekte Genabschnitte werden gezielt ausgeschnitten und durch korrekte Informationen ersetzt – ein hochpräziser Ansatz, der sich derzeit in frühen klinischen Studien befindet.

Für beide Verfahren ist eine exakte genetische Diagnose notwendig. Retina plus kann hierbei unterstützen.

Weitere Informationen finden Sie unter:
www.fightingblindness.org
www.clinicaltrials.org

Stammzelltherapien

Ziel dieser Forschung ist es, geschädigte Netzhautzellen – etwa das retinale Pigmentepithel (RPE) oder Photorezeptoren – durch aus Stammzellen gezüchtete Zellen zu ersetzen.
Studien aus Japan und den USA zeigen erste Hinweise auf funktionelle Verbesserungen und gute Verträglichkeit.
Einige Verfahren könnten ab 2026–2027 erste Zulassungsstufen erreichen.

Künstliches Sehen

Elektronische Implantate, wie das Prima-System, ermöglichen eine teilweise Wiederherstellung der zentralen Sehfunktion bei fortgeschrittener trockener AMD.
Ein unter die Netzhaut implantierter Chip empfängt Informationen von einer spezialisierten Brille – ohne die vorhandene Restsehfähigkeit zu beeinträchtigen. Studien hierzu laufen weiter.

Optogenetik

Optogenetische Verfahren nutzen lichtempfindliche Proteine, um verbliebene Netzhautzellen wieder auf Lichtreize reagieren zu lassen.

Das Instituts für Molekulare und Klinische Augenheilkunde Basel (IOB) forscht derzeit an diesem Ansatz, ebenso das Else Kröner Fresenius Zentrum für Optogenetische Therapien (EKFZ) in Göttingen, die wir beide im Podcast Retina View vorgestellt haben.

Weitere Forschungsgruppen sind aktiv, u. a.:
Gensight Biologics, AGTC, Nanoscope, Ray Therapeutics, Kiore.

Ernährung und Ergänzungsmittel

Zwar ersetzen Nahrungsergänzungsmittel keine Therapie, dennoch können sie wichtige Stoffwechselprozesse unterstützen.

Wissenschaftlich gut untersucht sind:

  • Antioxidantien, z. B. Glutathion
  • Lutein und Zeaxanthin zur Unterstützung der Makula
  • Omega-3-Fettsäuren
  • Für IRDs: Lutein, Zeaxanthin, Alpha-Liponsäure und L-Glutathion

Wichtig:
Menschen mit ABCA4-Mutationen sowie Personen mit Zapfen- oder Zapfen-Stäbchen-Dystrophien sollten keine Vitamin-A-Präparate einnehmen.
Bitte sprechen Sie jede Supplementierung mit Ihrer Augenärztin bzw. Ihrem Augenarzt ab.

Hinweis

Alle hier bereitgestellten Informationen dienen ausschließlich der Orientierung. Bitte besprechen Sie jede mögliche Behandlung, Therapieoption oder Intervention mit Ihrer behandelnden Augenärztin bzw. Ihrem behandelnden Augenarzt.
Die Nennung einer Therapie stellt keine Empfehlung von Retina plus e. V. dar.